Vielleicht habe ich nur ausnahmsweise schlechte Erfahrungen mit der geheimen Boshaftigkeit der Umgebung gemacht, aber der Beginn eines Diätprojekts ist im Hexenhaus irgendwann zur Geheimsache geworden. Nur wenige (Hexenmann) Eingeweihte haben es überhaupt erfahren und erst mit „abnehmendem“ Erfolg erweiterte sich der Kreis.
Die meisten Menschen – zumindest die, die ich kennengelernt habe – sind keine selbstlosen Geschöpfe. Erfolg ist noch lange nicht so schön zu beobachten wie Scheitern, und Sabotage kommt oft mit einem freundlich-verständnisvollen Lächeln einher. Also trau schau wem, denn nicht jeder findet es gut, wenn bei einem anderen die Pfunde schmelzen.
Schlanke und dicke Freunde
Ausdrücklich ausgenommen sind die echten Freunde. Allerdings sind die zumeist rar gesät und können an einer Hand, gelegentlich auch mit einem oder zwei Fingern abgezählt werden. Gemeint ist mehr der Kreis der Pseudo-Freunde, der Bekannten und sonstigen Beteiligten am gemeinsamen sozialen Leben. Das ist eine deutlich höhere Zahl und die brauchen noch lange nicht alles zu wissen. Wissen macht keineswegs immer glücklich, aber durchaus mächtig. Zumindest diejenigen, die es für die kleinen Sticheleien nutzen.
Sind sie schlank, ist Konkurrenz ja nicht gerade erwünscht. Schließlich sieht schlank noch schlanker aus, wenn die fette Freundin nebenher marschiert. Sind sie selbst fett, ist der Erfolg eines anderen kaum erwünscht. Die Dicke Hexe erfüllt einige Funktionen, solange sie auch dick bleibt. Da profitieren andere von und warum zum Henker sollten die eine Änderung wollen?
Die lieben Kollegen
Ein ganz besonderes Völkchen, wenn ich mich recht erinnere und nach dem, was so allgemein zu hören ist. Allen Gruppenveranstaltungen zur Förderung des Teamgeistes zum Trotz ist der Arbeitsplatz eine Schlangengrube. Teamgeist ist für die Tonne. Am Ende ist sich doch jeder selbst der nächste und freut sich, wenn ein anderer der Loser der Woche wird. Geht es nicht beruflich, so ist er eben anderweitig ein Versager. Dicke haben ohnehin ein Problem mit dem Image, denn sie gelten ja gemeinhin als willensschwach und faul. Also die idealen Mobbingopfer für den Rest des Hyänenrudels.
Auf Solidarität unter den dicken Kollegen würde ich da auch nicht vertrauen. Insgeheim lästern die ebenso mit ab und sind einfach nur froh, mal nicht im Fokus zu stehen. Oder sie sind auf einer anderen Diät, die natürlich viel erfolgversprechender ist und warten auf den Moment, wo sie vorbeiziehen. Konkurrenz ist immer und überall, sogar auf der Waage. Außerdem, wer ist nicht gern besser als ein anderer?
Erfolgsdruck oder Grube graben?
Angeblich erhöht es ja den Erfolgsdruck, lauthals vom Beginn einer Diät zu reden. Damit soll der Durchhaltewille gestärkt werden. Oder so ähnlich …
Na, wie oft hat das denn schon funktioniert?
Jojo ist nicht so ein vertrauter Begriff, weil er so selten ist. Diäten und Ernährungsumstellung scheitern eben häufiger. Da muss zum Scheitern nicht noch die Demütigung hinzukommen. Sendezeit im Radio zu mieten, um den Beginn einer Diät zu verkünden oder es gleich im Intranet der Firma zu posten ist eine tiefe Grube, die jedes Mal schwerer zu verlassen ist.
Außerdem zieht es gewöhnlich folgende Reaktionen nach sich:
- jeder Bissen wird noch genauer untersucht
- selbst Kollegen, die von Ernährung null Ahnung haben, geben idiotische Kommentare von sich
- scheinheilige Bekannte philosophieren über den Unsinn von Diäten
- Freunde behaupten beinahe glaubwürdig, die Diät ist unnötig
- komischerweise werden viele Snacks und Leckerlis angeboten
- das oft verschobene Essens-Date ist auf einmal fest eingeplant
- „Ich dachte, du machst eine Diät“ ist kaum noch zu vermeiden, wenn es mal wieder nicht geklappt hat.
Optimisten, Masochisten und Idealisten stecken das sicherlich weg. Wer nicht so unbeirrt seinen Weg durch diese gnadenlose Gemeinschaft nur unwesentlich weiterentwickelter Steinzeitmenschen geht, der sollte zumindest anfänglich einfach überhaupt nichts sagen.
In jeder Hinsicht leichter
Wenn es schon so verdammt schwer ist, ein paar Kilos abzuwerfen, ist es vielleicht eine gute Idee, diesen steinigen Weg nicht noch mit ein paar unangenehmen Felsbrocken zu erschweren. Das zu Beginn einer Diät häufig auftretende Mitteilungsbedürfnis im direkten Umfeld gehört dazu. Ob es mit den Hormonen oder dem mangelnden Kalorien-Input zusammenhängt ist nicht ganz klar, aber diese Geschwätzigkeit kann teuer werden.
Ruhe und Gelassenheit und insbesondere Schweigen erleichtern den Diät-Alltag und das ist höchst angenehm.
Irgendwann ist die Speckschicht hoffentlich sowieso so dünn, dass sie sich nicht mehr verbergen lässt – ihr Schrumpfen vielmehr. Dann ist es noch früh genug, dem Hyänenrudel mal freundlich zuzuzwinkern und von dannen zu schreiten. Ruhig und selbstsicher und mit einem fiesen kleinen Kichern, wenn der andere außer Hörweite ist. Überlegenheit durch sichtbaren Erfolg ist eben spaßiger.